Das ländliche Leben hat durchaus einen Reiz: Ruhe, Persönlichkeit, (hoffentlich) freundliche und helfende Nachbarn – doch der Immobilienwirtschaft kommt die Vorliebe der Bauherren, auf dem Land zu bauen, nicht gerade entgegen. Das Kölner Institut der Deutschen Wirtschaft veröffentlichte eine Studie, in der davon gesprochen wird, dass am „Bedarf vorbei“ gebaut werden.
Falsche Gleichung: Mehr Häuser bei weniger Einwohnern
In vielen Landkreisen wird derzeit gebaut – der Kölner Studie zufolge schrumpfen allerdings die Einwohnerzahlen der Orte dennoch. Der Leerstand von Gebäuden wird damit noch gefördert, gleichzeitig sinken die Werte dieser Immobilien. Die Zahlen sind dabei beeindruckend: Zwischen 2011 und 2015 wurden im Landkreis Emsland in Niedersachsen rund 1060 Wohnungen mehr gebaut, als für angemessen erachtet wurde. Vor allem werden sehr große Wohnungen sowie Einfamilienhäuser gebaut, die angesichts der rückläufigen Bevölkerungsentwicklung nicht gebraucht werden.
Dabei beschränkt sich diese Entwicklung nicht nur auf den Norden Deutschlands, sondern sogar in Bayern, dem wirtschaftsstarken Bundesland, wird deutlich zu viel gebaut. So auch in der Eifel, in Nordhessen oder im Schwarzwald – all diese Regionen besitzen nun tolle Häuser, die so nicht gebraucht werden. Beeindruckend auch das Beispiel des Landkreises Waldbeck-Frankenberg: Laut Bedarfsrechnung wären sieben neue Wohnungen nötig gewesen. Gebaut wurden aber fast 200 – der Bedarf wurde somit um 2.764 Prozent übertroffen.
Verödung von Dorfzentren befürchtet
Experten befürchten nun, dass die ländliche Region zersiedelt wird, wenn immer mehr Einfamilienhäuser entstehen. Diese vergrößern die Orte am Rand, die Dorfzentren hingegen kämpfen mit dem Leerstand. Das bewirkt eine Verödung derselben. Außerdem wird es für die Immobilienbesitzer schwer, ihr Haus wieder zu verkaufen, denn mit der schwindenden Bevölkerung sinkt auch die Nachfrage.
Umgekehrt fehlen Wohnungen in Ballungsgebieten wie Berlin oder Hamburg. Hier wurden in 2016 nur rund 40 Prozent (Berlin) oder 59 Prozent (Hamburg) der benötigten Wohnungen gebaut. Damit zeigt sich im Hinblick auf die Bautätigkeit ein enormes Stadt-Land-Gefälle. Eigentlich ist genügend Wohnraum in Deutschland vorhanden, doch die Verteilung desselben passt nicht zum Bedarf. In ländlichen Regionen stehen derzeit rund zwei Millionen Wohnungen leer. Nicht zuletzt tragen zu dieser Entwicklung auch die niedrigen Zinsen und die damit verbundene leichtere Kreditaufnahme bei. Außerdem bauen gerade Familien gern neu – der Abriss alter Gebäude findet jedoch nicht statt. Die Empfehlung an die Kommunen lautet daher, keine neuen Baugebiete auszuweisen und den Neubau von neuen Wohnungen an den Abriss von alten zu koppeln. Außerdem müssten die Ortskerne verstärkt in den Fokus rücken und mit verschiedenen Maßnahmen und Investitionen attraktiver gemacht werden.
Quelle der Studie: https://www.iwkoeln.de/studien/iw-kurzberichte/beitrag/philipp-deschermeier-ralph-henger-bjoern-seipelt-michael-voigtlaender-wohnungsmangel-in-den-staedten-leerstand-auf-dem-land-342975